Von Rügen nach Rajasthan

Anna Rodrigo, auf Rügen aufgewachsen, wird Ende April nach Rajasthan aufbrechen. Ein halbes Jahr lang hat sich die zwanzigjährige an der Reisenden Hochschule in Norwegen auf ihren Einsatz am Projekt HOPE Behror vorbereitet, ein Projekt von HUMANA People to People Indien, das sich der Bekämpfung von HIV/AIDS widmet.

Zu einem Infomeeting für zukünftige Auslandsfreiwillige kommt sie nach Berlin, zeigt eine handvoll Präsentationen, schaut sich aufmerksam die Interessenten an, erklärt, stellt Fragen, vertieft ein paar Aspekte, bietet persönliche Gespräche an. Ganz offensichtlich ist es ihr ernst damit, gute Leute für die kommenden Teams zu finden. Vier mal im Jahr starten solche Teams an ihrer Schule, mit jeweils 10 bis 15 Leuten, und wie beim Staffettenlauf der Stab, werden an der Schule Erfahrungen und Ideen von Team zu Team weitergegeben.

"Meine Projektleiterin und künftigen Kollegen in Indien kenne ich bereits", erzählt Anna: per webcam haben sie sich unterhalten, ihre Englischkenntnisse verbessert, sich gegenseitig angespornt. Sie hat auch einiges an Hindi gelernt, um sich mit den Dorfbewohnern verständigen zu können. An der Schule in Norwegen gibt es einen indischen Lehrer, der den Freiwilligen Einblicke in Kultur und Lebensweise seines Landes vermittelt.

"Entwicklungs-Instrukteure" heißen die Auslandsfreiwilligen bei HUMANA People to People, auf Englisch Development Instructors. Sie kommen aus allen Ecken der Welt, aus unterschiedlichen Berufs- und Altersgruppen und helfen mit, wo Hilfe nötig ist, mit Herz, Hand und Verstand. 14 Monate dauert das Programm: 6 Monate Vorbereitung, 6 Monate Einsatz am Projekt, 2 Monate Auswertung und Information.

Von Ende April bis Oktober 2006 wird Anna also am Projekt HOPE Behror sein. Während sich zeitgleich das nächste Team auf ähnliche Einsätze vorbereitet, wird sie damit beschäftigt sein, die Mitarbeiter des HOPE Projekts zu unterstützen, die Fernfahrer und Prostituierte informieren, Radiosendungen vorbereiten, in Schulen gehen und Menschen zu HIV-Tests beraten.

HOPE Behror wurde vor zwei Jahren mit finanzieller Unterstützung von UNAIDS gestartet und soll innerhalb von drei Jahren 150.000 Menschen erreichen. Hintergrund ist die Gefahr, daß die derzeit noch relativ geringe HIV-Infektionsrate in Rajasthan sich plötzlich drastisch erhöhen kann, wenn die Epidemie die allgemeine Bevölkerung erfasst. Auf der Schnellstraße National Highway No-8, die quer durch Rajasthan verläuft, sind jeden Tag mindestens 25.000 Lkws unterwegs; entlang dieser großen Straße gibt es viel Prostitution. Behror/Neemrana ist ein schnell wachsendes Industriegebiet, das viele Zuwanderer anzieht, die dann über lange Zeit von ihren Familien getrennt leben müssen und aus dieser Situation heraus Prostituierte aufsuchen und in Gefahr geraten, sich mit HIV zu infizieren.

In Indien insgesamt gibt es mehr als 5 Millionen HIV-Infizierte. HUMANA People to People Indien hofft, mit HOPE Behror ein Modell für erfolgreiche indische Projekte gegen HIV/AIDS zu entwickeln. Für die Daheimgebliebenen in Deutschland bleibt die Hoffnung, dass Anna fleissig aus Rajasthan schreiben wird, und die Aufgabe, weitere Spender und Freiwillige zu finden.